Wenn Korrigieren sich anfhlt wie der Mount Everest (und dir die Luft ausgeht)
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Wenn Korrigieren sich anfhlt wie der Mount Everest (und dir die Luft ausgeht)

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Fr alle Lehrkrfte, die abends vor einem Berg an Aufgaben sitzen und sich fragen, ob sie jemals aufholen werden. Du bist damit nicht allein - und es gibt Wege, diesen Berg kleiner zu machen.

4 min read

_Liebe Lehrkraft,_

Es ist Sonntagabend, 21:47 Uhr. Das Haus ist ruhig, alle schlafen - und du sitzt am Esstisch, starrst einen Stapel Hefte an, der gefhlt grer wird, je lnger du ihn ansiehst.

Achtundzwanzig Aufstze zum Thema "Mein Sommer". Dazu die Mathe-Tests vom Freitag. Und irgendwo zwischen kaltem Kaffee und verspannter Schulter taucht dieser Gedanke auf:

_"Alle anderen schaffen das irgendwie. Warum ich nicht?"_

Wenn dir diese Szene vertraut vorkommt, hol kurz Luft.

Du bist nicht allein. Du machst nichts falsch. Und nein - du bist nicht die einzige Lehrkraft, der diese Aufgabe manchmal ber den Kopf wchst.

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Die Last, die wir tragen

Letzte Woche blieb ich bei einem Kommentar in einer Lehrkrfte-Gruppe hngen:

> "Ich liebe meine Schler:innen, aber ich gehe in Papier unter. Ich habe das ganze Wochenende korrigiert und habe immer noch 40 Arbeiten brig. Wann darf ich eigentlich Mensch sein?"

Die Antworten waren zahlreich - und ehrlich:

  • nchtliche Korrekturmarathons
  • verlorene Wochenenden
  • das innere Rechnen:
_"Wenn ich alle 10 Minuten 5 Arbeiten schaffe, bin ich gegen Mitternacht fertig"_

Und fast jede Antwort hatte einen gemeinsamen Unterton:

"Ich dachte, nur mir geht es so."

Aber hier liegt die Wahrheit:

Der Korrekturberg ist nicht dein persnliches Versagen - er ist ein strukturelles Problem.

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Warum Korrigieren sich unmglich anfhlt

Wir befinden uns in einem pdagogischen Widerspruch:

  • Wir sollen personalisiertes, hilfreiches Feedback geben (absolut sinnvoll),
  • gleichzeitig mit Klassengren arbeiten, die kaum realistisch zu bewltigen sind.
Wir sollen dokumentieren, beurteilen, begleiten - und trotzdem Zeit finden, wirklich zu unterrichten.

Ein Beispiel:

150 Schler:innen - 3 Minuten pro Arbeit = 7,5 Stunden reine Korrekturzeit.

Noch ohne Pause. Ohne Kopfweh. Ohne geistige Erschpfung.

Kein Wunder, dass sich das wie Bergsteigen ohne Sauerstoff anfhlt.

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Mythen ber das Korrigieren

Mythos 1: "Gute Lehrkrfte korrigieren sofort alles." _Wahrheit_: Gute Lehrkrfte priorisieren - und lassen los, wo es keine Wirkung hat. Mythos 2: "Jede Aufgabe braucht ausfhrliches Feedback." _Wahrheit_: Manchmal reicht ein Hkchen und ein freundliches "Gut gemacht" mehr als drei Abstze, die niemand liest. Mythos 3: "Wenn ich es nicht bewerte, lernen sie nichts." _Wahrheit_: Lernen passiert im Tun - nicht nur im Bewerten.

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Kleine Vernderungen, groe Erleichterung

Hier sind Strategien, die Lehrkrfte als hilfreich empfinden - nicht, weil sie perfekt sind, sondern weil sie umsetzbar sind:

Das "Ampel-System"

  • Grn: Nur Anwesenheit/berblick (max. 2 Minuten)
  • Gelb: Feedback zu 1-2 Schwerpunkten (max. 5 Minuten)
  • Rot: Vertieft, differenziert, bewusst selten (max. 15 Minuten)
Weniger als 20 % der Aufgaben sollten rot sein.

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Das "Feedback-Buffet"

Nicht jedes Kind braucht dieselbe Form von Rckmeldung:

  • Audio-Feedback
  • Mini-Konferenzen
  • Peer-Feedback
  • Selbstbewertung mit Checklisten
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Die "Gut-genug-Gnade"

Ein Text mit 12 Grammatikfehlern?

Konzentriere dich auf Idee und Struktur - nicht auf jede Kleinigkeit.

Eine Rechenaufgabe mit einem Zahlendreher?

"Tolle Denkweise - achte noch auf saubere Rechenschritte."

Fortschritt > Perfektion.

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Offizielle Genehmigungen (bitte aufbewahren )

Du hast die Erlaubnis:

  • ️ Nur das zu korrigieren, was Lernwert hat
  • ️ Eine Uhrzeit festzulegen, nach der du nicht mehr arbeitest
  • ️ Stempel, Codes und Abkrzungen zu verwenden
  • ️ Hilfe anzunehmen
  • ️ Dich selbst wichtiger zu nehmen als den Stapel Papiere
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Ein anderer Gipfel

Vor kurzem schrieb eine Lehrerin:

> "Ich habe aufgehrt, alles perfekt korrigieren zu wollen. Stattdessen gebe ich gezieltes Feedback. Meine Schler:innen lernen genauso viel - und ich schlafe wieder."

Das ist der Gipfel, fr den es sich lohnt:

nicht Perfektion sondern nachhaltiges, menschliches Unterrichten.

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Fr morgen

Bevor du heute noch eine Arbeit ffnest, frag dich:

  • Untersttzt diese Bewertung das Lernen?
  • Verndert sie meinen nchsten Unterricht?
  • Kann ich sie in einem realistischen Rahmen bearbeiten?
Wenn du einmal "nein" denkst: Leg den Stapel zur Seite.

Trink Tee. Spr deinen Atem. Gnn dir einen Abend ohne rot markierte Rnder.

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Du bist mehr als eine Korrekturmaschine.

Du bist eine Lehrkraft, die jeden Tag Gedanken anstt, Mut strkt, Tren ffnet.

Und um weitergeben zu knnen, brauchst du auch Zeit fr dich.

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_**Dein Unterricht zhlt. Dein Wohlergehen zhlt mehr.**_

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ber diese Reflexion: Dieser Text kommt aus der Erfahrung von Lehrkrften, die selbst vor Papierbergen saen - und gelernt haben, dass gute Pdagogik nicht von Schlafentzug abhngt, sondern von Menschlichkeit, Priorisierung und Frsorge - auch fr sich selbst. ```
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